Originally published in the catalogue of "Genesis", O.K. Center for Contemporary Art, Linz, 1999, pp. 38-40.


AUFBRUCH

Gerfried Stocker

"It is less a question of the artist interpreting the world than of allowing existing or hypothetical biological processes, mathematical structures, social or collective dynamics, to speak directly. In this sense art no longer involves the composition of a 'message' but the creation of a mechanism ..."
Pierre Levy


Man kann Eduardo Kac als prototypischen Vertreter jener neuen Kunst beschreiben, die als unmittelbare Entsprechung der digitalen Revolution und der ihr zugrunde liegenden Informationstheorien und -technologien in Erscheinung getreten ist.

Wie ein Forscher ist er ständig auf der Suche nach neuen Methoden und Werkzeugen, scannt mit analytischem Tiefenblick die technisch wissenschaftlichen Territorien um neue Ausdrucksformen für seine künstlerischen Intentionen zu finden und seinen künstlerischen Materialvorrat zu erweitern.

Nach Holografie, Telerobotik und Internet ist nun die Molekularbiologie das naturwissenschaftliche Umfeld seiner künstlerischen Arbeit.
Nicht beschränkt auf die Rolle des Interpreten oder Kommentators sondern in direktem Zugriff auf die technisch-systemischen und gesellschaftlich-strukturellen Konstituenten werden nicht bloß traditionelle künstlerische Muster und Verhaltensschemata verändert sondern neue erfunden.

Sein Strategie dabei ist es, sich mit immer neuen Zugängen aus immer wieder veränderten Perspektiven dem Thema zu nähern.

Bereits in den holografischen Arbeiten Anfang der 80er, die er als "Holopoetry" bezeichnete war es nicht so sehr die Möglichkeit der dreidimensionalen Abbildung von Objekten die ihn beschäftigte, sondern die Umsetzung zeitlicher Prozesse in ein Bildmedium. Dabei löste er die Linearität der Werkpräsentation auf zugunsten einer fast hypertextuellen Präsentation in der die Rolle des Betrachters zu der eines aktiven Rezipienten erweitert wird.

Der Großteil seiner bisherigen Arbeit befaßt sich mit Telekommunikation und Telepresence, und hier ist die Wahrnehmung von Realität, die Vermittlung von Anwesenheit, seine zentrale Aufgabenstellung. Folgerichtig steht auch schon in den frühen Telerobotik-Projekten immer wieder der Körper bzw. dessen sensorisches Potential im Mittelpunkt.

Das in erweitertem Sinne als Erlebniskontext verstandene Mensch-Maschine-Interface, ist auch in Arbeiten wie "Ornitorrinco" (1989) oder noch viel elaborierter in "Rara Avis" (1996), einer interaktiven Telepresence Installation, in der eine telerobotischer Vogelmaschine gemeinsam mit echten Vögeln und künstlichen Pflanzen in einem Gehege untergebracht ist. Von außen können die Besucher über eine Datenbrille - aber auch über das Internet - nicht nur den Kopf des kybernetischen Vogels steuern sondern gleichzeitig seine Perspektive einnehmen, mit seinen Kamera-Augen sich selbst betrachten.

Neben seiner Arbeit A-Positive bei der ISEA 97 in Montreal hat sich Eduardo Kac vor allem mit "Time Capsule" ein neues künstlerisches Terrain eröffnet.

Am 11. Nov. 97 implantierte er sich als Teil eines Ausstellungsprojektes einen Identifikations-Microchip (wie er verwendet wird um verlorene oder gestohlene Tiere wiederzufinden und zu identifizieren) in seinen Fußknöchel und registrierte den in diesem Chip gespeicherten Code in einer Internetdatenbank. Neben der Problematik der lückenlosen Überwachung des durch Informations- und Gentechnologie gläsernen Menschen, sind es vor allem die immer komplexeren und tiefergehenden Prozesse der Verbindung von Lebewesen und Maschine die mit dieser Arbeit befragt werden.

Das neue künstlerische Terrain das Eduardo Kac damit beschreitet nennt er "transgenic art" und mit dem Projekt "Genesis" bei der Ars Electronica 99 zeigt er zum erstenmal was darunter zu verstehen ist.

Künstler wie Eduardo Kac arbeiten an Entwürfen für unsere unmittelbare Zukunft, in der die traditionelle Differenzierung von natürlich und künstlich entlang der Begriffe gewachsen und selbstorganisiert für Lebewesen und gebaut und fremdbestimmt für Maschinen nicht mehr länger gültig bleibt. Eine Entwicklung, die uns ein neues Selbstverständnis als Menschen, auf der philosophischen Ebene, mindestens aber ebenso auch auf der Ebene des sogenannten allgemeinen Hausverstandes, abverlangt.

Wenn wir von der Abbildung und Simulation des Lebens zur Schaffung und Gestaltung des Lebens weitergehen, so ist dies ein Bereich vor dem die Kunst nicht halt machen kann.


"It implies less stress on form and composition, and more emphasis on behavior - choice, action - and negotiation of meaning. It highlights the public who, as participants, acquire an active role in shaping their experience. The role of the artist in this case is not so much to encode messages unidirectionally, as to define parameters from which experiences will unfold. Telepresence art also implies the primacy of real time over real space."
Eduardo Kac, in "teleporting an unknown state", Okt.1998, Hrsg. Kibla, Maribor


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