04. September 2009 - 00:04 Uhr ·

Durch diese Blüte fließt Menschenblut

Von Irene Gunnesch ·

Wer sich energisch seinen Weg durch die dichten Besucherströme vom 09-Höhenrausch bahnt, kann das Linzer OK jetzt zu mehr nutzen als zum Aufstieg des 09-Spektakels: Seit heute läuft die Ausstellung „Cyberarts 09“ mit preisgekrönten Prix-Ars-Projekten.
Wunderschön ist sie, diese zartrot geäderte Petunie, deren Entstehung und Blüte hier im zweiten Stock zu bestaunen ist. Mit ihr hat der Amerikaner Eduardo Kac in diesem Jahr die Goldene Nica des Prix Ars Electronica im Bereich Hybrid Art gewonnen. Eine Blume? Ars? Electronica?

Ja, diese Achse stimmt: Denn Kac’ „Natural History of the Enigma“ ist ein biotechnologisches Kunstprojekt. Sein eigenes Blut hat die Adern der Petunie „aufgefrischt“. Seine DNS sich gentechnologisch mit der Petunie verbrüdert. Als Skulptur, auf Fotos, auf Video etc. in betrachtenswerte Kunst umgesetzt, wird so perfide die Genomforschung hinterfragt.

Dieses feine Projekt ist symptomatisch für die von Genoveva Rückert für das OK aufbereitete Ausstellung der preisgekrönten Arbeiten aus den Bereichen Hybrid Art, Digital Music und Interactive Art.

Meditative Trance

Apropos interaktiv: Da kann es passieren, mitten in einen Psychedelic Trip zu platschen. Umschwirrt von Millionen von Styropor-kugerln sitzt man mitten im Glaszylinder des „Nemo Observatorium“ vom Belgier Lawrence Malstaf (Goldene Nica). eine Art meditativer Trance ist dabei vorprogrammiert.

Ebenso witzig wie doppelbödig ist „Opera Calling“ von der Schweizer Mediengruppe Bitnik und dem deutschen Künstler Sven König: Zwischen März und Mai 2007 wurden über versteckte Abhörgeräte aus dem Züricher Opernhaus an zufällig ausgewählte Telefonanschlüsse live Aufführungen übertragen. Die Geräuschkulisse im OK gibt akustische Einblicke in 4363 Haushalte und die Bewohnerreaktionen auf die Opernklänge.

Mit dem Glockenklang des Londoner Big Ben konstruierte der Amerikaner Bill Fontana (Goldene Nica) seine räumlich-akustische Komposition „Speeds of Time“: zwölf Stunden von einer der berühmtesten „Soundmarks“ der Welt.

Gencodes gehackt

Beeindruckend ist auch die erfrischend satirische Gen/Copyright-Jonglage von Shiho Fukuhara (Japan) und dem Österreicher Georg Tremmel: Für „Common Flowers – Flower Commons“ hackten sie sich über eine eigene Pflanzengewebekultur in den patentierten Gencode genetisch veränderter blauer Nelken und züchteten im AEC-Biolab eine Art „Open Source“-Nelke.

Alles Beispiele aus dem reichen Cyber-Art-Fundus im OK, neben dem noch das Ars Animation Festival (4.–8.9.) läuft: knapp 40 Stunden Videoprogramm von den klassischen Geschichten bis zum Experiment. Insgesamt wieder ein feiner Gradmesser der weltweiten digitalen Befindlichkeit.


Quelle: OÖNachrichten Zeitung
Artikel: http://www.nachrichten.at/nachrichten/kultur/art16,253646 © OÖNachrichten / Wimmer Medien 2008 · Wiederverwertung nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung


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