Originally published in Kunstforum, Bd. 158, January/February 2002.


GFP BUNNY

Eduardo Kac

Mein transgenes Kunstwerk “GFP Bunny” umfasst das Erschaffen eines grünen floureszierenden Kaninchens, einen durch das Projekt ausgelösten öffentlichen Dialog und die soziale Integration des Kaninchens. GFP steht für grünes Fluoreszenzgen. “GFP Bunny” wurde im Jahr 2000 umgesetzt und im französischen Avignon zum ersten Mal der Öffentlichkeit präsentiert. Transgene Kunst, so habe ich an anderer Stelle1) behauptet, ist eine neue Kunstform, die auf dem Prinzip der Gentechnologie beruht, ein natürliches oder synthetisches Gen in einen Organismus zu überführen, um einzigartige Lebewesen zu erschaffen. Das muss mit großer Vorsicht geschehen, in Kenntnis der komplexen Probleme, die sich daraus ergeben, und vor allem mit der Verpflichtung, dem so geschaffenen Leben Respekt, Aufzucht und Liebe angedeihen zu lassen.

Willkommen, Alba
Ich werde nie den Moment vergessen, als ich sie zum ersten Mal in meinen Armen hielt; das war in Jouy-en-Josas, Frankreich. All meine Befürchtungen waren schließlich der Freude und Aufregung gewichen. Alba – so war sie von meiner Frau, meiner Tochter und mir genannt worden – war ein liebenswürdiges und liebevolles Geschöpf und es war eine Freude, mit ihr zu spielen. Wenn ich sie im Arm hielt, steckte sie verspielt ihren Kopf zwischen meinen Körper und meinen linken Arm, fand schließlich eine komfortable Position zum Verweilen und genoss meine sanften Streicheleinheiten. Sie weckte in mir sofort ein starkes und unwiderstehliches Gefühl, für ihr Wohlbefinden verantwortlich zu sein. Alba ist zweifellos ein besonderes Tier, aber ich möchte deutlich machen, dass ihre äußerliche und genetische Einzigartigkeit nur eine Komponente des “GFP Bunny”-Kunstwerkes ist. Das “GFP Bunny”-Projekt ist ein komplexes soziales Event, das mit der Erschaffung einer Chimäre (“Chimäre” wird hier gebraucht im Sinne einer kulturellen Tradition imaginärer Tiere, nicht mit der wissenschaftlichen Konnotation eines Organismus, in dessen Körper sich eine Zellmixtur befindet), die es in der Natur gar nicht gibt und das im Wesentlichen folgendes umfasst: 1) einen anhaltenden Dialog zwischen Experten verschiedener Disziplinen (Kunst, Naturwissenschaften, Philosophie, Recht, Kommunikationswissenschaften, Literatur, Soziologie) und der Öffentlichkeit über kulturelle und ethische Fragen bezüglich der Gentechologie; 2) das Infragestellen der angeblichen Bedeutung der DNA bei der Enstehung von Leben zugunsten eines komplexeren Verständnisses der verwickelten Beziehungen zwischen Genetik, Organismus und Umwelt.; 3) die Erweiterung des Konzepts von biologischer Vielfalt und Evolution als Grundlage einer gewissenhaften Arbeit auf Genomebene; 4) die Kommunikation zwischen den Arten, zwischen Mensch und transgenem Säuger; 5) die Integration des GFP-Kaninchens in einem sozialen und interaktiven Kontext und seine Präsentation darin; 6) die Untersuchung von verschiedenen Ideen von Normalität, Heterogenität, Reinheit, Hybridsein und Andersartigkeit; 7) das Einbeziehen einer nichtsemiotischen Vorstellung von Kommunikation im Sinne einer gemeinsamen Nutzung von genetischem Material über die gängigen Grenzen zwischen den Arten hinweg; 8) die öffentliche Akzeptanz und Achtung des Gefühls- und Seelenlebens transgener Tiere; 9) die Erweiterung der bestehenden Grenzen des Mach- und Vorstellbaren im künstlerischen Schaffensprozess als Grundlage für die Erfindung lebender Wesen.

Leuchtendes Familienmitglied
“Alba”, das grüne floureszierende Kaninchen, ist ein Albino. Das bedeutet, dass Alba unter gewöhnlichen Umständen völlig weiß wäre und rosafarbene Augen hätte, da sie kein Hautpigment hat. Alba ist keineswegs immerzu grün. Sie leuchtet nur, wenn sie von der richtigen Lichtquelle angestrahlt wird. Nur wenn sie mit blauem Licht (bei einer maximalen Anregung von 488 nm) angestrahlt wird erleuchtet sie in einem hellgrünen Licht (mit einer maximalen Emission von 509 nm). Sie wurde geschaffen mit Hilfe von EGFP, einer verstärkten Version (d.h. einer synthetischen Mutation) eines originalen in der Natur vorkommenden grünen Floureszenzgens, das man in der Qualle aequorea victoria entdeckt hat. EGFP gibt Säugetierzellen (eingeschließlich den menschlichen Zellen) eine zweimal größere Leuchtkraft als das Originalgen der Qualle2).
Die erste Phase des ”GFP-Bunny”-Projektes war mit Albas Geburt im französischen Jouy-en-Josas im Februar 2000 abgeschlossen. Es wurde vollendet mit der unschätzbaren Hilfe des Zoosystematikers Louis Bec3) und den Wissenschaftlern Louis-Marie Houdebine und Patrick Prunnet4). Über Albas Namen herrschte Einstimmigkeit zwischen meiner Frau Ruth, meiner Tochter Miriam und mir. Die zweite Phase besteht aus einer andauernden Debatte, die mit der ersten öffentlichen Ankündigung von Albas Geburt im Rahmen der Planet Work Konferenz am 14. Mai 2000 in San Francisco einsetzte. Die dritte Phase wird stattfinden, wenn das Kaninchen zu uns nach Chicago kommt und von da an als Teil meiner Familie mit uns leben wird.

Von der Domestizierung zur Auslesezüchtung
Die Verbindung zwischen Mensch und Kaninchen kann bis in die biblische Zeit zurückverfolgt werden, wie z.B. Abschnitte in den Mose-Büchern Levitikus (3. Mose 11,5) und Deuteronomium (5. Mose 14,7) belegen; dort kommt das hebräische Wort für Kaninchen “saphan” vor. Phönizische Seefahrer entdeckten Kaninchen auf der Iberischen Halbinsel etwa um 1100 v.Chr. und in dem Glauben, dass diese Hyraxes (auch Rock Dassies genannt) seien, nannten sie das Land “i-shephan-im” (das Land der Hyraxes). Da die Iberische Halbinsel nördlich von Afrika liegt, legt das geographische Verhältnis die Vermutung nahe, dass der Begriff “Nord” eine weitere punische Ableitung des Wortes sphan ist. Als die Römer “i-shepan-im” ins Lateinische übertrugen, entstand das Wort Hispania - einer der etymologischen Ursprünge von Spanien. In seinem dritten Buch nannte der römische Geograph Strabo (ca. 64 v.Chr.–21 n.Chr.) Spanien “das Land der Kaninchen”. Später gab der römische Herrscher Servius Sulpicius Galba (5 v.Chr.–69 n.Chr.), dessen Regentschaft sehr kurz war (68–69 n.Chr.), eine Münze heraus, auf welcher Spanien mit Kaninchen dargestellt wird. In der römischen Periode begann die Halbdomestizierung von Kaninchen, jedoch wurden sie in dieser Anfangsphase in großen ummauerten Ställen gehalten und durften sich frei vermehren. Die Menschen griffen erst direkt in die Evolution der Kaninchen ein, als im sechsten bis zehnten Jahrhundert nach Christi südfranzösische Mönche begannen, Kaninchen unter strengeren Bedingungen zu domestizieren und zu züchten.5) Das europäische Kaninchen (Oryctolagus cuniculus), das ursprünglich aus der Region stammt, die den Südwesten Europas und Nordafrika umfasst, ist der Urahn aller domestizierten Gattungen. Wegen seiner sozialen Natur wurde das Kaninchen ab dem sechsten Jahrhundert immer mehr in die menschliche Familie als Hausgenosse aufgenommen. Solch eine vom Menschen gemachte Auslese verursachte die morphologische Vielfalt der heutigen Kaninchen. Die ersten Berichte über verschiedene Fellfarben und Größen bei Kaninchen, die sich von jenen wild aufwachsender Tiere unterscheiden, stammen aus dem sechzehnten Jahrhundert. Noch vor dem achtzehnten Jahrhundert brachte die Auslesezüchtung das Angorakaninchen hervor, das ein einzigartig dickes und schönes Wollfell hat.6) Das Domestizieren, wie es seit dem sechsten Jahrhundert betrieben wurde, brachte in Verbindung mit einer immer stärkeren weltweiten Ausbreitung und einem ebensolchen Handel immer neue Rassen hervor und führte das Kaninchen in neue Umgebungen ein, in denen andere Lebensbedingungen herrschten als in ihrem Ursprungsgebiet. Es gibt gut und gerne mehr als hundert Kaninchenrassen auf der ganzen Welt, “anerkannte” reinrassige Züchtungen variieren dabei von Land zu Land. Die American Rabbit Breeders Association (ARBA) “erkennt” zum Beispiel 45 Züchtungen in den USA “an”, wobei sich weitere noch in der Entwicklung befinden.
Zur morphologischen Vielfalt trugen neben der Auslesezüchtung auch natürlich auftretende genetische Abweichungen bei. Das Albinokaninchen ist beispielsweise eine natürliche (rezessive) Mutation, die in der freien Wildbahn nur minimale Überlebenschancen hat (wegen seines Mangels an einer angemessenen Pigmentierung zur Tarnung ist es leicht als Beute auszumachen). Da von Menschenhand gezüchtet, kommt es heute jedoch meist in gesunden Populationen vor. Die Haltung von Albinokaninchen durch Menschen ist auch verbunden mit Traditionen alter Kulturen: fast jeder amerikanische Eingeborenenstamm glaubte, dass Albinotiere von besonderer spiritueller Bedeutung wären und sie hatten strenge Regeln zu ihrem Schutz.7)

Von der Züchtung zur transgenen Kunst
“GFP Bunny” ist ein transgenes Kunstwerk und kein Züchtungsprojekt. Das Eine unterscheidet sich vom Anderen durch Überlegungen grundsätzlicher Art, die der Arbeit zu Grunde lagen, durch Verfahrensweisen und Hauptziele.
Traditionellerweise ist das Züchten ein Selektionsprozess über viele Generationen hinweg und dient dazu, reine Rassen von standardisierter Form und Struktur zu schaffen, die funktionelle Zwecke erfüllen sollen.
Als die Züchtungspraxis vom ländlichen auf das städtische Milieu übergriff, stand nicht mehr die Auswahl in Bezug auf Verhaltensmuster im Mittelpunkt, sondern ästhetische Vorstellungen von äußerlichen Eigenschaften und morphologischen Prinzipien. Transgene Kunst bietet hier ein ästhetisches Gegenkonzept, das eher die sozialen denn die formalen Aspekte des Lebens und der biologischen Vielfalt betont, das Vorstellungen von genetischer Reinheit infrage stellt, das eine gewissenhafte Arbeit auf Genomebene einschließt, und das die Schwammigkeit des Artenbegriffs in einem zunehmend transgenen, sozialen Kontext aufdeckt. Als Schaffender transgener Kunst bin ich nicht daran interessiert, genetische Objekte entstehen zu lassen, sondern transgene soziale Subjekte zu erfinden.
Mit anderen Worten: wichtig ist mir ein in sich geschlossener Schaffensprozess, der das Kaninchen in den größeren gesellschaftlichen Zusammenhang eingliedert und ihm eine liebevolle Umwelt bereitet, die sich kümmert und die es aufzieht und in der es sicher und gesund aufwachsen kann. Dieser integrierte Prozess ist deshalb so wichtig, weil er die Gentechnik in einen sozialen Kontext setzt, in dem die Beziehung zwischen der privaten und der öffentlichen Sphäre harmonisiert ist. Mit anderen Worten werden Biotechnologie, der private Bereich der Familie und die soziale Domäne der öffentlichen Meinung in Beziehung zueinander diskutiert. Transgene Kunst meint nicht das Kreieren von genetischen Kunstobjekten, weder belebt noch unbelebt. Solch ein Ansatz würde nahe legen, dass man die Anwendung der Biowissenschaften an einer Ästhetik orientiert, die formale Belange, Materialqualität und hermeneutische Isolation favorisiert.
Bezieht man die Lehre der dialogischen Philosophie8) und der kognitiven Ethologie9) ein, so müsste die transgene Kunst Bewusstsein und Respekt für das Seelenleben (die Mentalität) transgener Tieren fördern. Im Kontext der transgenen Kunst ist das Wort “Ästhetik” in dem Sinne zu verstehen, dass Erschaffung, Sozialisation und häusliche Integration ein Vorgang sind. Es geht nicht darum, das Kaninchen für spezifische Anforderungen oder Spleens brauchbar zu machen, sondern seine Gesellschaft als Individuum in dialogischer Interaktion zu genießen (denn alle Kaninchen sind verschieden), wobei seine ihm eigenen Tugenden geschätzt werden.
Ein sehr wichtiger Aspekt von ”GFP-Bunny” ist, dass Alba, wie jedes andere Kaninchen, gesellig ist und Interaktion mittels kommunikativer Signale braucht wie etwa der Stimme oder des physischen Kontaktes. Meiner Ansicht nach gibt es keinen Grund anzunehmen, dass die interaktive Kunst der Zukunft ähnlich angesehen oder empfunden werden wird, wie das, was wir aus dem zwanzigsten Jahrhundert kennen. ”GFP-Bunny” zeigt einen alternativen Weg und macht uns klar, dass ein fundiertes Konzept von Interaktion immer auch mit der Vorstellung von persönlicher Verantwortung verbunden ist (z.B. mit Fürsorge und Anteilnahme). ”GFP-Bunny” gibt meinem Schwerpunkt des Kreativen in der Kunst eine Kontinuität, die in dem liegt, was Martin Buber als dialogische Beziehung bezeichnete10), Mikhail Bakhtin als dialogische Seinssphäre11), Emile Benveniste als Intersubjektivität12) und was Humberto Maturana consensual domains13) nennt: ein gemeinsamer Wahrnehmungs- und Erkenntnisbereich, der gleichzeitig ein Bereich ist, wo zwei oder mehr empfindungsfähige Wesen (menschlich oder andersartige) ihre Erfahrungen dialogisch austauschen können. Die Arbeit ist außerdem durchdrungen von Emmanuel Levinas Philosophie der Alterität14), die besagt, dass unsere Nähe zum Anderen erfordert, dass man auf ihn eingeht, und dass der zwischenmenschliche Kontakt die einzige Umsetzung ethischer Verantwortung darstellt. Ich schaffe meine Werke, um zu zeigen, dass ich die Reaktionen und Entscheidungen aller Beteiligten akzeptiere und einbinde, seien es Eukaryonten oder Prokaryonten.15)
Ich nenne das ein Mensch-Pflanzen-Vogel-Säuger-Roboter-Insekten-Bakterien-Interface.
Soll diese ästhetische Plattform, die verschiedene Formen sozialer Intervention mit semantischer Offenheit und systemischer Komplexität abstimmt, ihre Funktion erfüllen, muss man erkennen, dass jede Situation, in der Kunst wie im Leben, seine eigenen spezifischen Parameter und Grenzen hat. Deshalb geht es nicht darum, die Eingrenzungen gänzlich abzuschaffen (eine Unmöglichkeit), sondern sie so flexibel zu halten, dass das, was die beteiligten menschlichen und nichtmenschlichen Wesen denken, wahrnehmen und tun, wenn sie das Kunstwerk erleben, eine Bedeutung bekommt. Meine Antwort darauf ist, dass man sich gemeinsam bemüht, offen und ehrlich gegenüber der Wahl und des Verhaltens der Beteiligten zu bleiben und damit einen wesentlichen Teil der Kontrolle über die Wirkung des Werkes aufzugeben, das Erfahrene wie es kommt zu akzeptieren und als Chance zur Veränderung zu begreifen, davon zu lernen, damit zu wachsen, sich während des ganzen Prozesses zu verändern. Alba ist eine der Beteiligten in dem transgenen ”GFP-Bunny”-Kunstwerk; das ist außerdem jeder, der in Kontakt zu ihr tritt, und jeder, der dem Projekt irgendwie Beachtung schenkt. Es entsteht ein komplexes Geflecht von Beziehungen geprägt von Familienleben, sozialen Unterschieden, wissenschaftlichen Vorgehensweisen, der Verständigung zwischen den Arten, die öffentliche Diskussion, Ethik, Mediendarstellung und den künstlerischen Kontext. Während des zwanzigsten Jahrhunderts entfernte sich die Kunst von der bildlichen Darstellung, dem gegenständlichen Kunsthandwerk und einer äußerlichen Betrachtungsweise. Künstler, die Richtungen suchen, die direkter auf sozialen Wandel eingehen können, betonen neuerdings den Prozess, das Konzept, die Aktion, die Interaktion, neue Medien, Milieu und den kritischen Diskurs.
Die transgene Kunst erkennt diese Veränderungen an und bricht gleichzeitig mit diesen, indem sie den Akt des Erschaffens von Leben in den Mittelpunkt der Debatte rückt. Zweifellos entwickelt sich transgene Kunst in einem größeren Kontext tiefgreifender Verschiebungen auf anderen Gebieten. Während des zwanzigsten Jahrhunderts erkannten Physiker das Unbestimmtheitsprinzip und die Relativität, die Anthropologen zerschlugen den Ethnozentrismus, Philosophen denunzierten den Glauben, die Literaturkritik wandte sich von der Hermeneutik ab, die Astronomie entdeckte neue Planeten, die Biologie fand “extremophile” Mikroben, die unter Bedingungen leben, von denen man zuvor annahm, dass sie kein Leben ermöglichten, die Molekularbiologie verwirklichte das Klonen. Transgene Kunst erkennt die Rolle des Menschen in der Evolution der Kaninchen als ein natürliches Element an, als ein Kapitel in der Naturgeschichte sowohl der Menschen als auch der Kaninchen, denn die Domestizierung ist immer eine Erfahrung der Gegenseitigkeit. Wie die Menschen die Kaninchen domestizieren, so domestizieren die Kaninchen ihre Menschen. Wenn die Teleonomie der erklärte Zweck der Organisation von Lebenssystemen ist16), dann bietet transgene Kunst einen nicht zweckgerichteten und subtileren Ansatz in der Debatte. Sieht man das Kunstwerk nicht als Metapher für einen lebenden Organismus, sondern als Verkörperung dieses Tropus, dann eröffnet transgene Kunst einen nichtteleonomischen Bereich für die Biowissenschaften. Mit anderen Worten: Im Zusammenhang mit transgener Kunst üben Menschen Einfluss auf die Organisation menschlichen Lebens aus, doch dient dieser Einfluss keinem pragtischen Zweck. Transgene Kunst versucht nicht, die öffentliche Diskussion zu moderieren, unterminieren oder darin zu vermitteln. Sie versucht, eine neue Perspektive zu eröffnen, die Ambiguität und Subtilität da bietet, wo man normalerweise nur affirmative (“zugunsten etwas”) und negative (“gegen etwas”) Polarität findet. ”GFP-Bunny” betont die Tatsache, dass transgene Tiere normale Geschöpfe sind, die ebenso Teil des sozialen Lebens sind wie andere Lebensformen und somit ebenso viel Liebe und Umsorgung verdienen wie jedes andere Tier auch.17)
Beim Entwickeln des ”GFP-Bunny”-Projektes bin ich mit großer Vorsicht vorgegangen und habe jeden Schaden, den es anrichten könnte, erwogen. Weil es sich als sicher herausstellte, beschloss ich, mit dem Projekt fortzufahren.18) Während seiner Durchführung gab es keine Überraschungen: Die genetische Sequenz, die für die Produktion des grünen Fluoreszenzproteins zuständig war, wurde durch zygote Mikroinjektion in das Genom eingeführt.19) Die Schwangerschaft wurde erwartungsgemäß in entsprechender Zeit ausgetragen. ”GFP-Bunny” bringt keine neue Form genetischer Experimente ein; denn die Mikroinjektion und das grüne Fluoreszenzprotein sind bereits gut etablierte und bekannte Werkzeuge auf dem Gebiet der Molekularbiologie. Das grüne Fluoreszenzprotein hat schon seine Wirkung in vielen Gastorganismen getan, Säuger eingeschlossen.20) Es gibt keine mutagenen Effekte durch die transgene Integration in eine Gastgenom. Um es anders auszudrücken: das grüne Fluoreszenzprotein ist für das Kaninchen völlig harmlos. Ferner ist zu betonen, dass das ”GFP-Bunny”-Projekt nicht gegen die Regeln der Gesellschaft verstößt: Die Menschen bestimmen schon seit 1400 Jahren die Evolution der Kaninchen.

Alternativen zur Alterität
Wenn wir unsere Beziehung zu unserem lagomorphem Kameraden diskutieren21), ist es notwendig, sich das Kaninchen nicht anthromorphisiert zu denken. Beziehungen sind nicht greifbar, aber sie bilden einen fruchtbaren Boden für Erkundung durch Kunst, indem diese interaktiv in die eigentliche Domäne der Intersubjektivität vorstößt. Alles existiert nur in Beziehung zueinander. Nichts existiert nur für sich. Auf diese einfache aber fundamentale Tatsache will ich die ganze Aufmerksamkeit lenken, indem ich mich in meiner Arbeit auf die Wechselbeziehungen zwischen biologischen, technologischen und hybriden Wesen konzentriere. Von Wechselbeziehungen und Intersubjektivität zu reden bedeutet, die soziele Dimension des Bewusstseins anzuerkennen. Deshalb muss das Konzept der Intersubjektivität die Komplexität der tierischen Sinnenwelt berücksichtigen. In diesem Zusammenhang, besonders in Bezug auf ”GFP-Bunny”, muss man ein offenes Verständnis für die Sinnenwelt des Kaninchens im Allgemeinen und für die individuelle Sinnenwelt Albas im Speziellen haben. Es ist ein allgemein verbreitetes Missverständnis, dass ein Kaninchen weniger intelligent ist als, zum Beispiel, ein Hund, weil es u.a. dem Kaninchen schwer zu fallen scheint, Nahrung zu finden, die es genau vor seiner Nase hat. Der Grund dieser alltäglichen Erscheinung wird klar, wenn wir bedenken, dass im Sehsystem des Kaninchens die Augen oben seitlich am Schädel platziert sind, was dem Kaninchen erlaubt, sein Umfeld im fast 360-Grad-Winkel wahrzunehmen. Die Folge ist, dass das Kaninchen einen kleinen blinden Winkel von etwa 10 Grad direkt vor seiner Nase und unter seinem Kinn hat.22) Obwohl Kaninchen Bilder nicht so scharf sehen wie wir, erkennen sie einzelne Personen an einer Kombination von Stimme, Körperbewegungen und Gerüchen, vorausgesetzt, dass die Menschen sich mit ihren Kaninchen regelmäßig beschäftigen und ihre Gesamterscheinung nicht dramatisch verändern (wie z.B. durch das Tragen eine Kostüms, das die menschliche Form verändert, oder durch das Auftragen eine starken Parfüms). Das Verständnis der Weltsicht des Kaninchens ist sicher nicht hinreichend, um sein Bewusstsein zu würdigen, aber es erlaubt uns, eine Einsicht in sein Verhalten zu erlangen, was uns unsererseits zu einem Verhalten veranlasst, das das Leben für jeden angenehm und erfreulich macht.
Alba ist ein gesunder und sanfter Säuger. Entgegen gängiger Vorstellungen von der angeblichen Monströsität gentechnisch geschaffener Organismen, ist ihr Körper von genau jener Gestalt, die wir auch bei Albinokaninchen finden. Wer nicht weiß, dass Alba ein Kaninchen ist, das leuchtet, kann nichts Ungewöhnliches an ihr entdecken. Deswegen verweigert sich Alba jeder Zuweisung von Alterität. Genau diese produktive Ambiguität macht sie so besonders: gleichzeitig wie alle anderen zu sein und doch anders. Wie in den meisten Kulturen bringt unsere Beziehung zu Tieren tief Verborgenes in uns zutage. Unser tägliches Zusammenleben und der Umgang mit anderen Arten erinnern uns an unsere Einzigartigkeit als Menschen. Gleichzeitig erlaubt es uns, in Dimensionen des menschlichen Geistes einzutreten, die im täglichen Leben oft unterdrückt werden – wie die Verständigung ohne Sprache – was enthüllt, wie nahe wir wirklich den nichtmenschlichen Wesen sind. Je mehr Tiere Teil unseres häuslichen Lebens werden, desto weiter entfernen wir die Züchtung von Funktionalität und vom Tierversuchslabor. Unsere Beziehung zu Tieren verändert sich in dem Maße, wie sich historische Bedingungen durch politischen Druck, wissenschftliche Entdeckungen, technische Entwicklungen, wirtschaftliche Chancen, künstlerische Eingriffe und philosophische Einsichten wandeln. Als sich Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts unser Verständnis von den physischen Grenzen des Menschen wandelte, da man begann, neue Gene in bereits entwickelte menschliche Organismen einzuführen, änderte sich auch unser Umgang mit den Tieren in unserer nächsten Umgebung. Die Molekularbiologie zeigte, dass das menschliche Genom nicht von besonders wichtiger, spezieller oder anderer Art ist. Das menschliche Genom ist aus denselben Grundelementen wie andere bekannte Lebensformen gemacht und kann als Teil eines größeren Genomspektrums gesehen werden, das variantenreich und vielfältig ist.
Westliche Philosophen von Aristoteles23) bis Descartes24), von Locke25) bis Leibniz26), von Kant27) bis Nietzsche28) und Buber29) haben sich dem Rätsel des Tierhaften auf vielfache Weise genähert und mit der Zeit eine Theorie des Tierhaften entwickelt, wobei sie auch ihre Sicht von Humanität erklärten. Während Descartes und Kant eine eher herablassende Sichtweise auf die Erlebniswelt der Tiere hatten (was auch von Aristoteles behauptet werden kann), waren Locke, Leibniz, Nietsche und Buber – wenn auch in verschiedenem Grade – toleranter gegen unsere eukaryontischen Kameraden.30) Heutzutage veranlasst uns unsere Fähigkeit, Leben durch die direkte gentechnische Methode entstehen zu lassen, eine Neubewertung der hergebrachten Verdinglichung und der individuellen Subjektivierung von Tieren vorzunehmen und damit unseren Untersuchungen der Grenzen und Möglichkeiten von dem, was wir menschlich nennen, neue Impulse zu geben. Ich glaube nicht, dass die Gentechnik das Geheimnis des Lebens zerstört; im Gegenteil, sie weckt in uns den Sinn für das Wunder des Lebens wieder. Wir werden nur dann glauben, dass die Biotechnologie das Geheimnis des Lebens zerstört, wenn wir sie über andere Lebensanschauungen stellen (im Gegensatz dazu ist Biotechnologie als eine von vielen Beiträgen zu einer breiteren Debatte zu sehen) und wenn wir die reduktionistische Sicht akzeptieren (die von vielen Biologen nicht geteilt wird), dass das Leben schlicht und ergreifend nur eine Frage der Gene ist. Transgene Kunst weist diese Sichtweise entschieden zurück und erinnert daran, dass das Leben im Wesentlichen Kommunikation und Interaktion zwischen empfindungsfähigen und -unfähigen Akteuren ist. Statt nur den Schritt von der Komplexität der Lebensvorgänge zur Genetik zu vollziehen, betont transgene Kunst das soziale Leben der Organismen und hebt auf diese Weise die Kontinuität in der Evolution von physiologischen und verhaltensbedingten Eigenschaften im Umgang zwischen den Arten hervor. Das Geheimnis und die Schönheit des Lebens ist größer denn je, wenn wir unsere enge biologische Verwandtschaft mit anderen Arten sehen und wenn wir verstehen, dass sich aus einem begrenzten genetischen Grundbausatz das Leben auf der Erde entwickelt hat, mit Organismen, die so verschieden sind wie Bakterien, Pflanzen, Insekten, Fische, Reptilien, Vögel und Säugetiere.

Transgenesis, Kunst und Gesellschaft
Der Erfolg der genetischen Therapie an Menschen bringt den Vorteil, das menschliche Genom verändern zu können, um zu heilen oder die Lebensbedingungen der Mitmenschen zu verbessern.31) In diesem Sinne kann das Einführen fremden genetischen Materials in das menschliche Genom nicht nur als willkommen, sondern als wünschenswert betrachtet werden. Entwicklungen in der Molekularbiologie, wie das obige Beispiel, werden zeitweise benutzt, um das Gespenst der Eugenik und des biologischen Krieges auf den Plan zu rufen und damit die Furcht vor Banalisierung und Missbrauch der Gentechnik zu schüren. Diese Furcht ist legitim und historisch begründet,32) und muss angesprochen werden. Zu diesem Problem trägt noch bei, dass Firmen oft leere rhetorische Strategien anwenden, um die Öffentlichkeit zu gewinnen, aber es ihnen auf diese Weise nicht gelingt, sich an einer seriösen Debatte zu beteiligen, die nicht nur die Probleme erkennt, sondern auch die Vorteile der Technologie.33) Tatsächlich gibt es ernste Bedrohungen, wie etwa den möglichen Verlust der eigenen Rechte in Bezug auf die eigene genetische Information und diverse unakzeptable Praktiken, z.B. Biopiraterie (Aneignung und Patentierung von genetischem Material ohne ausdrückliche Erlaubnis des Besitzers).
Wenn wir diese Probleme einbeziehen, können wir die Tatsache nicht ignorieren, dass ein völliges Verbot jeder Form der Genforschung die Entwicklung von Heilmethoden für viele verheerende Krankheiten verhindern würde, die derzeit in der Menschheit und Tierwelt wüten. Das Problem ist sogar noch komplexer. Sollte es gelingen, solche Therapien zu entwickeln, welche Sektoren der Gesellschaft würden Zugang zu ihnen haben? Natürlich ist die Frage der Genetik nicht nur einfach eine Frage der Wissenschaft, sondern eine, die direkt mit politischen und ökonomischen Richtlinien verbunden ist. Eben deshalb muss die Furcht, die der erfahrene und potenzielle Missbrauch dieser Technologie weckt, von der Gesellschaft in konstruktive Bahnen gelenkt werden. Statt die Technologie blindlings abzulehnen, was zweifelsohne bereits Teil der neuen sog. Bioscape ist, sollten sich Bürger offener Gesellschaften darum bemühen, die vielfachen Sichtweisen auf dieses Thema zu studieren, den historischen Hintergrund um diese Fragen zu erfahren, das Vokabular und die derzeitigen Forschungsschwerpunkte zu verstehen, alternative Sichtweisen aufgrund eigener Ideen zu entwickeln, das Thema zu debattieren und eigene Schlussfolgerungen zu ziehen, um zu einem gegenseitigen Verständnis zu gelangen. Insofern als dieses eine entmutigende Aufgabe darstellt, können aus schierer, öffentlicher Opposition oder auch aus Gleichgültigkeit drastische Konsequenzen erwachsen.
Hier kann Kunst von großem sozialen Wert sein. Da die Domäne der Kunst die Symbolik ist, auch wenn sie direkt in einen gegebenen Kontext eingreift,34) kann Kunst dazu beitragen, die kulturellen Auswirkungen der Revolution, die gerade im Gange ist, zum Vorschein zu bringen und verschiedene Denkansätze zur Biotechnologie anbieten. Transgene Kunst ist eine Art der genetischen Kennzeichnung innerhalb und außerhalb des Operationsbereichs der Molekularbiologie als Vermittler zwischen dem Bereich der Wissenschaft mit dem der Kultur. Transgene Kunst kann der Wissenschaft helfen, die Rolle von Beziehungs- und Kommunikationsfragen bei der Entwicklung von Organismen zu erkennen. Sie kann der Kultur helfen, dem weit verbreitetem Glauben, dass die DNA das “Mastermolekül” ist, die Maske herunterreißen, indem sie die Betonung auf den Organismus als Ganzen und auf das Umfeld (den Kontext) legt. Schließlich kann transgene Kunst einen Beitrag auf dem Gebiet der Ästhetik leisten, indem sie neue Symbole und eine pragmatische Dimension für die buchstäbliche Erschaffung von und Verantwortlichkeit für Leben eröffnet.


Anmerkungen
1) Kac, Eduardo: "Transgenic Art". Leonardo Electronic Almanac. Vol. 6, N. 11, December 1998
2) Nachdem das grüne Fluoreszenzprotein (GFP) erstmals von der aequorea victoria isoliert und als neues Reportersystem angewendet worden war (vgl.: Chalfie, M., Tu, Y., Euskirchen, G., Ward, W., Prasher, D. (1994). Green Fluorescent Protein as a Marker for Gene Expression. Science 263, 802-805), wurde es im Labor modifiziert, um den fluoreszierenden Effekt zu steigern. Vgl.: Heim, R., Cubitt, A. B. and Tsien, R.Y. (1995) Improved green fluorescence. Nature 373:663-664; and Heim, R., Tsien, R. Y. (1996). Engineering green fluorescent protein for improved brightness, longer wavelengths and fluorescence resonance energy transfer. Current Biology 6, 178-182
3) Der Künstler, Kurator und Veranstalter Louis Bec prägte den Terminus zoosystémicien (Zoosystematiker), um seine künstlerische Vorgehensweise und seinen Interessenbereich zu beschreiben, wie z.B. die digitale Nachbildung von Lebenssystemen.
4) Louis-Marie Houdebine und Patrick Prunet sind Wissenschaftler, die an dem Institut National de la Recherche Agronomique-INRA (Nationalinstitut für Landwirtschaftliche Forschung) in Frankreich arbeiten. Louis-Marie Houdebine ist der Direktor der Forschungsabteilung für Entwicklungsbiologie und Biotechnologie der INRA im Jouy-en-Josas Center in Frankreich. Vgl.: Transgenic Animals - Generation and Use (Amsterdam: Harwood Academic Publishers, 1997). Und: C.Viglietta, M.Massoud and L.M.Houdebine, "The Generation of Transgenic Rabbits", in Transgenic Animals (Harwood Academic: Amsterdam, 1997), p. 11-13.
5) Zur Erläuterung der Geschichte der Domestizierung vgl.: Caras, Roger A. A Perfect Harmony: The Intertwining Lives of Animals and Humans Throughout History (New York: Simon and Schuster, 1996); Gautier, Achilles. La domestication. Et l'homme créa ses animaux. (Paris:Editions Errance, 1990); Helmer, Daniel. La domestication des animaux par les hommes préhistoriques (Paris: Masson, 1992).; and Sawer, Carl O. Agricultural Origins and Dispersals: The Domestication of Animals and Foodstuffs (Cambridge, MA: MIT Press, 1970)
6) PRODUCTIONS ANIMALES, Journal herausgegeben von der INRA, Angora rabbit: breeding and genetics. THEAULT R.G., DE ROUCHAMBEAU H. 1989, vol 2, num 2. 145–154.
7) Detailliertere Information zu den spirituellen Werten einzelner Stämme können nachgelesen werden in: Gill, Sam D., Dictionary of Native American mythology (New York: Oxford University Press, 1994)
8) Im 20. Jahrhundert erfuhr die dialogische Philosophie eine Wiederbelebung durch Martin Buber, der 1923 das Buch “Ich und Du” herausgab, in welchem er darlegte, dass die Menschheit zu zweierlei Arten von Beziehung fähig sei: Ich und Du (reziprok) und Ich-Es (objektiviert). In Ich-und-Du-Beziehungen geht der eine vollkommen auf in der Begenung mit dem anderen und führt einen echten Dialog. In Ich-Es-Beziehungen wird das “Es” zum Objekt der Kontrolle. Das “Ich” ist in beiden Fällen nicht dasselbe, denn im ersten Fall handelt es sich um ein nichthierarchisches Aufeinandertreffen, während es sich im zweiten Fall um eine Distanzierung handelt. Vgl.: Buber, Martin. I and Thou (New York: Collier, 1987). Martin Bubers dialogische Philosophie der Beziehung, die der Phänomenologie und dem Existenzialismus sehr nahe steht, beeinflusste auch Mikhail Bakhtins Sprachphilosophie. Bakhtin vertrat in unzähligen Schriften, dass gewöhnliche Beispiele monologischer Erfahrung – in der Kultur, Politik und Gesellschaft – die dialogische Realität der Existenz unterdrücken.
9) Die kognitive Ethologie kann als “evolutionäre und vergleichende Wissenschaften der nichtmenschlichen tierischen Denkvorgänge, des Bewusstseins, des Glaubens und der Rationalität definiert werden und ist ein Bereich, in dem die Forschung von verschiedenen Arten von Untersuchungsverfahren und Erklärungsmodellen bestimmt wird.” Vgl.: Bekoff, Marc (1995)
10) Buber, Martin. I and Thou (New York: Collier, 1987), p. 124. Nach Michael Theunissen “wollte Buber eine &Mac226;Onthologie des Dazwischen‘ zu zeichnen, in dem das persönliche Bewusstsein nur im Kontext unserer Beziehungen zu anderen, nicht aber losgelöst von diesen verstanden werden kann.” Vgl.: Theunissen, Michael. The Other: Studies in the Social Ontology of Husserl, Heidegger, Sarte, and Buber. Trans. Christopher Macann. (Cambridge, MA: MIT Press, 1984), pp. 271-272.
11) Bakhtin, M. Problems of Dostoevsky's Poetics. Trans. Caryl Emerson. (Minneapolis: U of Minnesota P, 1984), p. 270.
12) Zur Bildung des “Ego” oder der Subjektivierung durch Sprache sowie der Vorstellung, dass unser Bewusstsein nur durch Sprache möglich ist (d.h. dass wir überhaupt nur dadurch “Subjekte” sind), vgl.: Emile Benveniste, "Subjectivity in Language," chap. 21 in Problems in General Linguistics, trans. Mary Elizabeth Meek (1966; Coral Gables, Florida: Univ. of Miami Press, 1971), pp. 223-230
13) Aus der Perspektive seines einzigartigen und systematischen Zweiges der theoretischen Biologie erklärt Maturana die Vorstellung einer consensual domain mit großer Klarheit. Vgl.: Maturana, Humberto R. "Biology of Language: The Epistemology of Reality", in G. Miller & E. Lenneberg (Eds.) Psychology and Biology of Language and Thought (New York: Academic Press, 1978), p. 47.
14) Emmanuel Levinas schrieb: “Nähe, Verschiedenheit, die nicht Gleichgültigkeit ist, ist Verantwortung.” Vgl.: Levinas, E. Otherwise than Being or Beyond Essence, translated by Alphonso Lingis (Boston: Martinus Nijhoff Publishers, 1981), p. 139. Teilweise von der dialektischen Philosphie Martin Bubers beeinflusst, war es Levinas Bestreben, durch eine Analyse der &Mac226;face-to-face‘-Beziehung über die ethisch neutralen Traditionen der Ontologie hinauszugehen. Für Levinas kan der Andere als solches nicht durchschaut werden. Stattdessen taucht der Andere in der Beziehung zu anderen auf, in einer Beziehung der ethischer Verantwortung. Für Levinas soll diese ethische Verantwortung als der Ontologie vorrangig angesehen werden. Zu seinen Einsichten zu Bubers Werk vgl.: Levinas, E. "Martin Buber and the Theory of Knowledge", in Schilpp, P. (ed.) The philosophy of Martin Buber (La Salle, IL: Open Court , 1967), pp. 133-150.
15) Es gibt drei Zellarten: Prokaryonten, Eukaryonten und Archaea. Prokaryonten sind einzellige Organismen (z.B. Bakterien), die keine Kernmembrane und keine membrangebundenen Organellen besitzen. Eukaryonten sind einzellige (z.B. Hefe) oder mehrzellige Organismen (z.B. Menschen), die eine Kernmembran haben, die das genetischen Material umgibt, und zahllose memebrangebundene Organellen, die in einer komplexen Zellstruktur verteilt sind. Alle Zellen einzelliger Organismen sind eukaryontisch. Eukaryonten schließen die meisten Organismen ein (Algen, Pilze, Protozoa, Pflanzen und Tiere) außer Viren, Bakterien und der Cyanobakteria. Ein anderer Hauptbereich des Lebens wird Archaea genannt, Mikroorganismen mit genetischen Erscheinungsformen, die sich von denen der Prokaryonten und Eukaryonten unterscheiden. Die DNA der Archaea ist nicht im Zellkern enthalten. Viele Archaea leben in kargen Umgebungen, wie in Thermalöffnungen in Ozeanen und heißen Quellen. Die meisten Methan produzierenden Bakterien sind tatsächlich Archaea.
16) Teleo-nomisch heißt gleichmäßiges Prinzip (nomisch) gelenkt von einem Ziel oder einer Absicht (teleo). Der Begriff wurde von Colin Pittendrigh geprägt, um auf eine interne Teleologie hinzudeuten als verschieden von einer von außen auferlegten “Teleologie”. Zum Verständnis der Teleologie vgl.: Pittendrigh, C. "Adaptation, natural selection, and behavior", in Roe, A. and Simpson, G. G. Behavior and Evolution (New Haven, Yale University Press, 1958), pp. 390-416.
17) Zum Problem des Wohlergehens transgener Tiere vgl.: Moore, C.J. and Mepham, T.B. (1995). Transgenesis and animal welfare. ATLA 23:380-397 and L.F.M. van Zutphen, M. van der Meer, (Eds.) Welfare Aspects of Transgenic Animals (New York: Springer, 1997).
18) Damit meine ich, dass ein normaler Verlauf erwartet wurde (was auch eintrat), so normal wie jede andere Kaninchenschwangerschaft und -geburt. Das kommt daher, dass die transgene Technologie seit 1980 erfolgreich und regelmäßig bei Mäusen angewandt wurde und bei Kaninchen seit 1985. Vgl.: Charles J. Bieberich, Lien Ngo and Gilbert Jay. "Introduction of transgenic laboratory and domestic animal species -- Production of transgenic rats and rabbits", in Pinkert, Carl A. (ed) Transgenic animal technology: a laboratory handbook (San Diego: Academic Press, 1994). Der Begriff transgen wurde als erstes von J.W. Gordon und F.H. Ruddle in ihrem Arbeitspapier von 1981 benutzt. Für weitere Informationen über die Expression von GFP bei Kaninchen vgl.: Kang, T Y ; Yin, X J ; Rho, G J ; Lee, H ; Lee, H J . Cloning of transgenic rabbit embryos expressing green fluorescent protein (GFP) gene by nuclear transplantation. Theriogenology. 53, no. 1, (2000): 222.
19) Die Zygote ist eine Zelle, die durch die Vereinigung zweier Gameten entsteht. Ein Gamet ist eine reproduktive Zelle, im Besonderen ein reifes Sperma oder Ei, die in der Lage sind, mit einem Gamet des anderen Geschlechts eine befruchtete Eizelle zu produzieren. Die direkte Mikroinjektion einer DNA in einen männlichen Pronukleus eine Kanninchenzygote war eine sehr verbreitete Methode bei der Produktion transgener Kanninchen. Wenn die fremde DNA im einzelligen Stadium in die chromosome Kanninchen-DNA integriert wird, hat das transgene Tier die neue DNA in jeder Zelle. Eine detalillierte Diskussion der Methoden und Anwendungsbereiche der Mikroinjektion gibt: Lacal, J.C., Perona, R. , and Feramisco, J. Microinjection (New York: Springer, 1999
20) Siehe Anmerkung 2.
21) Ein Lagomorph ist einer von verschiedenen Nagetieren in der Ordnung der Lagomorphen einschließlich Kanninchen, Hasen und Pikas.
22) Krempels, Dana M., “Was können Kanninchen sehen?” House Rabbit Society: Orange County Chapter Newsletter 5 (Summer 1996), 1. Eine umfassendere Untersuchung des Sehvermögens von Kanninchen und anderen Tieren bietet: Smythe, R.H., Vision in the Animal World, St. Martin's Press, New York (1975).
23) In Teil I des 9. Buches seiner “Geschichte der Tiere”, verfasst ca. 350 v. Chr., erkannte Aristoteles die Komplexität der emotionalen Zustände bei Tieren: Die Eigenschaften und Veranlagungen von Tieren, die vergleichsweise obskur und kurzlebig sind, sind nicht so offensichtlich wie solche langlebiger Tiere. Diese letzt genannten Tiere scheinen eine natürliche Wesenszüge zu besitzen, die folgenden Regungen entsprechen: Schläue oder Einfalt, Mut oder Zaghaftigkeit, gute oder schlechte Laune und andere ähnliche Dispositionen des Wesens.” Vgl.: Aristotle. History of Animals. Books VII-X. (Cambridge, MA: London: Harvard University Press, 1991).
Obwohl Aristoteles den Tieren im ersten Kapitel der Metaphysik Formen der Verstand und Intelligenz zuspricht, behauptet er in einem anderen Buch (Politik), dass der Mensch das einzige Tier ist, das zum logos fähig ist (Buch VII, Teil XIII): “Tiere führen vor allem ein naturverbundenes Leben, obwohl sie in wenigen Fällen von Gewohnheiten geleitet werden. Der Mensch, und nur der Mensch, folgt zusätzlich einem rationalen Prinzip.” Auch in der Politik vergleicht er Tiere mit Sklaven (Buch I, Teil V): “der Gebrauch, der von Sklaven und von gezähmten Tieren gemacht wird, ist nicht sehr unterschiedlich; denn beide dienen mit ihren Körpern den Bedürfnissen des Lebens. Vgl.: Aristotle. The works of Aristotle (London, Oxford Univ., 1966).
24) In seinem Diskurs über die Methode von 1637 besteht Descartes auf eine absolute Trennung zwischen Mensch und Tier. Für ihm bildet Bewusstsein und Sprache die Grenze zwischen Menschheit und Tierwelt. Descartes sagt: “Tiere besitzen weniger Vernunft als Menschen”, und dass sie tatsächlich “überhaupt keine Vernunft” besitzen. Vgl.: Descartes, Rene. 637. "Discourse on the Method," in Descartes: Selected Philosophical Writings. Trans. John Cottingham, Robert Stoothoff and Dugald Murdoch. (Cambridge: Cambridge University Press, 1988), p. 45
25) Vgl.: Locke, John. An Essay Concerning Human Understanding (New York: Dover, 1959), p. 208. In seiner teilweisen Ablehnung der Cartesischen Theory des Wissens schlägt John Locke zwei Quellen von Einfällen vor: Empfindung und Überlegung. Mit Hilfe der Unterschiedes zwischen Einfällen durch Empfindung und Einfällen durch Überlegung unterscheidet Locke den Menschen vom Tier: Tiere haben gewisse Sinneseindrücke und einen gewissen Grad an Verstand, aber keine allgemeinen Ideen (z.B. Fähigkeit zur Abstraktion) und folglich keine Sprache zu deren Umsetzung. Für Locke liegt die Abstraktion deutlich jenseits der Fähigkeiten von Tieren und es sind genau das abstrakte Denken, das eine fundamentale Rolle bei der Entwicklung von Ideen gemischter Art spielt, die Bedingung für Moral ist.
26) Bei Gottfried Leibniz hatten Tiere kein Selbstbewusstsein und keine Fähigkeit zur Erkenntnis für die ewigen Wahrheiten, die für ihn die menschliche Seele auszeichnen. Vgl.: Leibniz, G., "A Specimen of Discoveries About Marvellous Secrets" (c. 1686), in Philosophical Writings (London : Melbourne: Dent, 1984), p. 84.
27) In “Die Metaphysik der Sitten” legt Kant dar, dass wir als menschliche Wesen uns von anderen Tieren durch die Fähigkeit unterscheiden, uns Ziele zu setzen, was nur für ein rationales Wesen möglich ist. Vgl.: The Metaphysics of Morals (Cambridge: Cambridge University Press, 1991), pp. 381, 384-85, 392. Für Kant war die moralische Instanz des Menschen direkt verbunden mit der fundamentalen Eigenschaft der Vernunft. In der Natur fand er den Ursprung der Moral nicht und verneinte daher die Mitgliedschaft der Tiere im (moralischen) Königreich der Ziele.
28) Vgl.: Nietzsche, Friedrich. "On Truth and Lies in a Nonmoral Sense", in Philosophy and Truth, Edited by Daniel Breazeale (New York: Humanity, 1999), p. 84. In diesem Essay legt Nietzsche dar, dass das was wir “Wahrheit” nennen “nur eine wendige Armee von Metaphern, Metonymen und Anthromorphismen ist”. Für ihn herrscht Willkür in der menschlichen Erfahrung vor: was man gemeinhin als “Wahrheit” bezeichnet, ist nichts anderes, als die Erfindung fester Konventionen für praktische Zwecke, inbesondere der Sicherheit und Beständigkeit.
29) Buber erläutert die Ich-Du-Beziehung zwischen Menschen und nichtmenschlichen Wesen: “Der Mensch, “zähmte” einst Tiere und ist zu dieser einmaligen Leistung immer noch fähig. Er zieht Tiere in seinen Lebensraum und bewegt sie dazu, ihn, den Fremden, in einer einfachen Weise zu akzeptieren und sie antworten ihm. Er erhält von Tieren oft eine erstaunlich aktive Antwort auf seine Annäherung, die im Allgemeinen stärker und direkter ist als das ehrliche menschliche Dusagen. Tiere, wie auch Kinder, sind nicht selten fähig, jede heuchlerische Zärtlichkeit zu durchschauen. Aber auch außerhalb des Bereichs des Zähmens findet manchmal ein ähnlicher Kontakt zwischen Mensch und Tier statt – mit Menschen, die im Inneren ihres Wesens eine potenzielle Partnerschaft mit Tieren verbindet, nicht unbedingt Menschen von “tierischer” Natur, aber solche, deren Natur ziemlich “spirituell” ist. Vgl.: Buber, Martin. I and Thou (New York: Collier, 1987), p. 125.
30) Eine ausführliche Untersuchung des Ansatzes der Tierhaftigkeit innerhalb der westlichen Kultur sowie ein philosophischer Beitrag über mehr Respekt und Verständnis für nichtmenschliche Tiere in: Fontenay, Elisabeth. Le silence des betes (Paris: Fayard, 1998).
31) Zum ersten Mal ist Gentherapie unzweideutig mit Erfolg durchgeführt worden. Französische Ärzte wandten eine Behandlung an, bei der man Zellen funktionstüchtige Gene hinzufügte, um verschiedenen Kindern das Leben zu retten, die unter anderen Umständen wahrscheinlich an schwerer Immunschwäche gestorben wären. Vgl.: Marina Cavazzana-Calvo, Salima Hacein-Bey, Geneviève de Saint Basile, Fabian Gross, Eric Yvon, Patrick Nusbaum, Françoise Selz, Christophe Hue, Stéphanie Certain, Jean-Laurent Casanova, Philippe Bousso, Françoise Le Deist, and Alain Fischer. "Gene Therapy of Human Severe Combined Immunodeficiency (SCID)-X1 Disease", Science 2000 April 28; 288: 669-672. Ferner ein populärwissenschaftlicher Bericht: Petitnicolas, Catherine. "Premier succès de la thérapie génique", Le Figaro, April 28, 2000, p. 16.
32) Einen kurzen Überblick zur jüngsten Geschichte der Eugenik bietet: Howell, Joel D. The History of Eugenics and the Future of Gene Therapy. Journal of Clinical Ethics 2(4): 274-278, Winter 1991.
33) Einschlägig bekannt ist das Beispiel von Monsantos Anspruch, die Welt zu ernähren und der Tadel von 24 afrikanischen Delegierten in den Verhandlungen der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (Food and Agriculture Organization, FAO) über internationale Initiativen zu Entwicklung und Einsatz von Genpflanzen im Juni 1998. Vgl.: Bruno, Kenny. "Monsanto's Failing PR Strategy", in The Ecologist, Vol. 28, N. 5, Sept/Oct 1998, p. 291.
34) In diesem Zusammenhang benutze ich das Wort “symbolisch” in dem Sinne, dass das Kunstwerk nicht nur ein Ding ist, dem wegen seiner wesenhaften und einzigartigen Eigenschaften Beachtung geschenkt wird, oder nur ein praktikabler Weg zur Umsetzung eines Zieles, sondern auch (und immer) eine Hilfe zum Verstehen der Welt. Meine Anwendung des Wortes ist teilweise motiviert von Erwin Panofkys Anwendung von Ernst Cassirers Philosophie der Symbolischen Formen (3 vol., 1923-29). Vgl.: Panofsky, E. Perspective as Symbolic Form (New York: Zone Books, 1991). Auf den Seiten 40-41 sagt Panofky, dass die Perspektive “eine jener &Mac226;symbolischen Formen‘ ist, in der eine &Mac226;spirtuelle Bedeutung‘ mit einem konkreten, gegenständlichen Zeichen verbunden und diesem wesensmäßig zugeordnet ist.”


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