Originally published in Internationalen Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur (IASLonline), Munich, Germany, December 2001. <http://iasl.uni-muenchen.de/links/TippKac.html>



Thomas Dreher

The Eighth Day
Eduardo Kac



Transgenic Art

Eduardo Kac (*1962 in Rio de Janeiro, lebt in Chicago) stellt Dezember 1998 im Leonardo Electronic Almanac sein Projekt einer Transgenic Art vor. Kac plädiert erstens für die Schaffung "synthetischer Gene" durch Verpflanzung von Genmaterial einer Art in das Genmaterial einer weiteren Art. Zweitens stellt er "Künstlergene, chimärische Gene oder neue Geninformationen" vor. Von (erstens) in Forschungslabors üblichen Verpflanzungen zum (zweitens) Schreiben neuer DNA-Sequenzen reichen die Möglichkeiten der Transgenen Kunst.

Brisanz erhält Kacs Projekt durch sein Konzept "GFP K-9": Einem Haushund soll ein "Green Fluroescent Protein" (GFP) eingepflanzt werden. Dieses GFP wird in Forschungslabors aus der nordpazifischen Quallenart Aequorea Victoria gewonnen. Da die Erforschung des Genmaterials der Hunde voraussichtlich noch viele Jahre benötigt und das GFP vorher nicht eingepflanzt werden kann, dient Kacs Konzept "GFP K-9" zur Anregung einer Diskussion über eine neue, nicht unproblematische Verbindung von Kunst und Wissenschaft. Kac verweist auf die Geschichte der Hundezüchtung, die offenbar auf von Menschen beeinflusste Kreuzungen von "ausgewachsenen Wölfen mit Jungtiermerkmalen" und "erwachsenen Hunden" zurückgeht. Darauf folgt die Entwicklung von "rund 150 anerkannten Rassen" und die Etablierung des "Begriff[s] der Reinrassigkeit". Da die Referenz auf unverfälschte Natur bei Hunden nicht möglich ist, waren und sind Fragen, welche Züchtungen anzuerkennen sind und welche unterbleiben sollten, Angelegenheiten hinterfragbarer sozialer Übereinkünfte und der Etablierung von Interessen der Hundezüchter.

Kac verweist auch auf die negativen Seiten der "willkürlichen Definition des Begriffs `Normalität´ durch genetische Test-, Optimierungs- und Therapiemaßnahmen, Diskrimination durch die Krankenversicherung auf der Basis genetischer Tests und die ernsten Gefahren der Eugenik." Kacs Stichpunkte zur Geschichte der Rassenzüchtung zeigen, dass er sich mit seinem Projekt einer transgenen Kunst nicht in einem von sozialen Auswirkungen abgelösten Forschungsbereich ansiedeln kann.

GFP

Kac entwickelt in Genesis (Ars Electronica 99, O.K Centrum für Gegenwartskunst, Linz, 4.-19.9.1999 1) mittels Genforschung ein neues Glied, das er seiner Kette bereits realisierter reaktiver Installationen mit Telepräsenz hinzufügen kann. (s. Lektion 5).

Kac übersetzt ein Bibelzitat mittels Morsealphabet. Die Morsezeichen wiederum werden mittels eines "Konversationsprinzips" in Zeichen für DNS-Basenpaare übertragen. Diese Zeichen dienen als Grundlage zur Entwicklung von Plasmiden mit ECFP (Enhanced Cyan Fluorescent Protein), die in eine Kolonie von E.coli Bakterien eingesetzt werden. Eine weitere Kolonie von E.coli Bakterien enthält EYFP (Enhanced Yellow Fluorescent Protein) ohne Genesis-Gen. Die beiden Bakterienkolonien leuchten unter UV-Strahlung zyanfarben (ECFP) oder gelb (EYFP).

Kacs Installation präsentiert die Bakterienkolonien in einer Petrischale über einer UV-Lichtbox. Über die Petrischale neigen sich die Tragarme einer Mikroskopbeleuchtung und einer Mikrovideokamera. Ein Rechner überträgt die Kamerabilder ins Internet und setzt Klicks von Usern auf die Ein- und Ausschalt-Bottons in Schaltungen des UV-Lichts um. Ein zweiter Rechner dient als DNS-Musiksynthesizer, dessen Klanggenerierung von Peter Gena programmiert wurde.

Der Zustand der Bakterienkolonien wird auf eine Wand projiziert. Links neben dieser Projektion erscheinen die Zeichen des Genesis-Gens, rechts der Bibeltext (auf englisch): "Machet Euch die Erde untertan und herrschet über die Fische im Meer und die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über alles Getier, das auf Erden kriecht."

Die Bakterien interagieren unter dem von Usern gesteuerten UV-Licht und können ihre Plasmide übertragen, was zur Abgabe von grünem Licht führt, oder sie verlieren ihre Leuchtfähigkeit. Ebenso kann die Übertragung ausbleiben. Außerdem reagiert die Musik auf "die Bakterienvermehrung und die Mutationsalgorithmen".

Als Kac Juni 2000 seinen unter Schwarzlicht fluoreszierenden Albino-Hasen mit GFP auf dem Medienkunstfestival Avignon numérique präsentieren will, verbietet das staatliche Forschungsinstitut für Landwirtschaft (Inra) in Jouy-en-Josas (bei Paris) die Übergabe von Alba. Transgene Kaninchen dienen im Labor des Instituts als Versuchstiere. So werden Tiere, die mit einem Krebs-Gen versehen wurden, mit einem weiteren Gen gekennzeichnet, welches das Tier leuchten lässt. 2 Über GFP Bunny und Kacs Aufruf Free Alba berichten viele Massenmedien. Die Auseinandersetzung, ob Alba frei bei Kac in Chicago oder im Labor leben soll, hat in einigen Eintragungen im Alba Guestbook das Problem der transgenen Züchtung verdrängt. Andere Gäste rufen das Problem wieder in Erinnerung.

Nachdem das französische Forschungslabor eine öffentliche Debatte über Alba offenbar unter dem Vorwand nicht ausreichender Sicherheitsvorkehrungen (als Schutz vor Anti-Genforschung-Aktivisten) zu verhindern versuchte, wurde der Fall populär. Danach wird von Seiten der Forschungsinstitute versucht, die Debatte um Alba offensiv im Sinne der Genforschung zu beeinflussen. In der Ankündigung eines Symposiums der Duke University (Durham/North Carolina) über Kacs Transgene Kunst heißt es in November 2000: "It is unclear why genetic engineering performed in the name of science is more acceptable than the same process carried out in the name of art." Die von Instituten der Genforschung unterstützten Veranstalter der Duke University setzen voraus, dass sich in der Kunst durchzusetzen habe, was in den Naturwissenschaften (angeblich) als durchgesetzt gilt.

Kac hebt in seinen Äußerungen über Transgene Kunst die Erweiterung von "biodiversity" durch Genmanipulation hervor, da sie ein Mittel gegen Artensterben sei. Außerdem betont er die Nutzlosigkeit der von ihm vorgestellten Genmutationen. Letzteres gilt auch für Alba, solange sie nicht als Versuchstier verwendet wird, nicht aber für GFP und seine Brauchbarkeit in Forschungslabors.

Kac wandelt bei "GFP Bunny" auf einem schmalen Grad zwischen Kunst und Wissenschaft. Kac findet durch die Präsentation von Alba im Kunstkontext verstehen: Dort findet Alba eine Öffentlichkeit, die die Ausgangspunkte der Diskussion über Gefahren der Genforschung gegenüber dem wissenschaftlichen Expertendiskurs verändern kann.

The Eighth Day

Kacs Installation The Eighth Day (Institute for Studies in the Arts, Arizona State University, Tempe) ist zwischen 25.9. und 2.11.2001 über vier WebCams beobachtbar. Unter einer Plexiglashaube sind mit GFP versehene, "transgene" Amöben (Dyctiostelium discoidem), Zebrafische, Mäuse und Tabakpflanzen zu sehen. 3 Die Amöben sind in einen Bioroboter (Biobot) integriert. Aus wachsender und abnehmender Amöbenaktivität ergeben sich die Auf- und Abbewegungen des Biobots. In einem Arm des Biobot, der sich über Internet steuern lässt, ist eine Kamera untergebracht. Über Internet kann bis 2. November 2001 sowohl das Amöben-Innenleben des Biobot als auch das Außenleben beobachtet werden. Zwei weitere Kameras zeigen das Außenleben über und unter Wasser.

Kac interpretiert die Installation unter dem Plexiglasgehäuse als Modellwelt, als Beispiel für mögliche transgene Veränderungen in unserer Umwelt. Das Projekt regt Diskussionen über den Umgang mit Genforschung und der Verbreitung ihrer Vorgehensweisen bestenfalls auf sehr allgemeiner Ebene an, da konkrete Problemzonen der Genmanipulation – zum Beispiel Lebensmittel – nicht angeprochen werden. Die kleine Modellwelt kann Gegner der Genmanipulation auf ihre Möglichkeiten im Rahmen einer immer schon Züchtungen ausgesetzten Kulturnatur nur dann verweisen, wennn dies nicht medizinische, moralische und juristische Problemzonen tangiert.

Alan Rawls und Jeanne Wilson-Rawls weisen in ihrem Biologists´ Statement "The Eightht Day" als willkommenen Anlass aus, die Genforschung zur öffentlichen Diskussion zu stellen. Im besonderen verweisen sie auf Ansichten, die GFP in Tieren für nicht ungefährlich halten. Kacs Modellwelt enthält also eine konkrete Aufgabe: die Prüfung der Anwendbarkeit von GFP und ihre Vorführung als ungefährliche Manipulation. Wie aber kann aber dieser Fall der Diskussion über Risiken und unerwünschte Auswirkungen der Genforschung eine neue Wendung geben, wenn er diese Probleme nicht tangiert?

Wenn die Ansicht von Rawls/Wilson-Rawls sich durchsetzt, dass es um "the drawning of a new world" gehe, "in which man has greater genetic control over his environment", dann wäre Kacs Distanz gegenüber der Dominanz menschlicher Naturbeherrschung, die das von ihm für "Genesis" gewählten Bibel-Zitat einfordert 4, von beteiligten Forschern durch eine Haltung ersetzt worden, die menschliche Naturbeherrschung mittels Genforschung ausbauen will. Die Problematik dieser Position diskutieren die Mitglieder des Critical Art Ensemble sowohl im Hinblick auf die Geschichte des technischen Fortschritts 5, als auch im Rahmen der Genforschung. 6 Letzteres geschieht nicht ohne ironische Komponente, wie auch ihr Beitrag für die "Mongrel"-Website beweist. 7
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Dr. Thomas Dreher
Schwanthalerstr. 158
D-80339 München.

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Übrigens: Drehers Homepage bietet zahlreiche kunstkritische Texte, u.a. zur Konzeptuellen Kunst und Intermedia Art.
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Fußnoten

1 Kac, Eduardo: Genesis. In: Stocker, Gerfried/Schöpf, Christine (Hg.): Ars Electronica 99: LifeScience. Kat. Ars Electronica Center/ORF Landesstudio Oberösterreich, Linz 1999, S.310-313. Modifiziert in: URL: http://www.ekac.org/genger.html. zurück

2 Schmundt, Hilmar: Das Kunst-Gen. In: Der Spiegel, 26.6.2000, S.114; neu in: URL: http://www.ekac.org/spiegel.html.
GFP wird in der Forschung als "Statthalter für Alzheimer- und Parkinsongene" verwendet (Müller-Jung, Joachim: Hasengrün - Die Gentechnik und ihre Symbole. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.1.2001. Neu in: URL: http://www.ekac.org/frankfurter.html; vgl. Rowls, Alan/Wilson-Rawls, Jeanne: Biologists´ Statement. In: URL: http://isa.hc.asu.edu/eighthday/about_description.html). zurück

3 Probleme mit der Instabilität des GFP bei der normalen Körpertemperatur von Mäusen führten zu EGFP: "...to enhance the thermostability of GFP" (o. A.: The Eighth Day. GFP Ecology, Mouse. In: URL: http://isa.hc.asu.edu/eighthday/about_ecology_mouse.html). zurück

4 Kac, Eduardo: Bio Art: Proteins, Transgenics, and Biobots. In: Stocker, Gerfried/Schöpf, Christine (Hg.): Ars Electronica 2001: Takeover. Kat. Ars Electronica Center/ORF Landesstudio Oberösterreich, Linz 2001, S.118. Neu in: URL: http://www.ekac.org/arsen2001.html: "It [The sentence from the bilbical book of Genesis] was chosen for what it implies about the dubious notion – divinely sanctioned– of humanity´s supremacy over nature.".
Die Veranstaltung über "Bioethics and Transgenic Art", die am 25.10.2001 in der Neeb Hall der Arizona State University (Tempe) stattfand und als live webcast im Internet übertragen wurde, weist drei Teilnehmer unter insgesamt sechs Teilnehmern auf, die nicht an "The Eighth Day" beteiligt waren. Das Forum kann nicht als die Kontroversen über das umfangreiche Thema hinreichend berücksichtigende Diskussionsrunde gelten. Kac hat die Liveübertragung nicht abgespeichert. Sie ist der Netzöffentlichkeit nicht mehr zugänglich. zurück

5 Critical Art Ensemble: The Technology of Uselessness. In: URL: http://www.ctheory.com/article/a017.html. zurück

6 Critical Art Ensemble: Gen Terra. In: URL: http://www.critical-art.net/genterra/index.html. zurück

7 Critical Art Ensemble: BioCom Industries. Neue URL: http://www.mongrelx.org/Project/Natural/Biotech/ (Frühere URL http://www.mongrel.org.uk/Biotech/) in: Mongrel, Natural Selection, Star Sites. (Die Website Mongrel (früher: http://www.mongrel.org/uk) ist seit Juli 2000 nicht mehr in ihrer alten Form im Netz. Die neue Website Mongrel enthält eine Dokumentation der alten Website, die Genforschung, Rassendiskriminierung und Neofaschismus in höchst eigensinniger Weise thematisierte. Nach Graham Harwood (München, 20.10.2001) verhindern es interne Auseinandersetzungen, Mongrel in seiner alten Form wieder ins Netz zu stellen. Das Suchsystem "Natural Selection" war bereits in der letzten Fassung der alten Mongrel-Site nur als Dokumentation enthalten. Die hier wichtigen "Star Sites" enthält auch die neue Website.) zurück

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