Originally published in Die Woche, Hamburg, Vol. 5, N. 1, January 26, 2001. 

DIEWOCHE 05/01, 26. Januar 2001
 

INTERVIEW

Leuchtendes Beispiel
 
 

Der Künstler Eduardo Kac über die Gründe, warum er ein gentechnisch manipuliertes Kaninchen kreiert hat
 
 
 

DIEWOCHE Sie sind der einzige Künstler, der transgene Kunst schafft. Warum tun Sie das?

 EDUARDO KAC Transgene Kunst weicht radikal ab - nicht nur von allem, was ich bisher gemacht habe, sondern von Kunst im Allgemeinen. Das kommt nicht von ungefähr. Die Physik hat sich drastisch verändert, ebenso die Biologie, und so auch die Kunst. So wie die Relativität ein Paradigmenwechsel war und die Quantenphysik, so ist auch die transgene Kunst ein Paradigmenwechsel.

 DIEWOCHE Wie haben Forscher und andere Künstler darauf reagiert?

 KAC Zwei Wissenschaftler finden die Arbeit brillant, und es gibt ähnlich denkende Künstler und Kunsthistoriker. Biotechnologie in der Kunst entwickelt sich gerade zu einem Riesenthema. Ich bekomme ständig Anrufe von Kritikern, Museumsdirektoren und Kunsthistorikern, die etwas ausstellen möchten. Natürlich würde ich "Alba" nicht zur Schau stellen. Doch ich produziere Bilder und anderes Ausstellungsmaterial.

 DIEWOCHE Was hoffen Sie mit Ihrer Kunst zu erreichen?

 KAC Biotechnologie ist derzeit eine Sprache, die nur von einigen wenigen Leuten gesprochen wird. Es ist zwingend nötig, dass diejenigen, die zwar keine Experten, aber ein Teil der Gesellschaft sind, diese Sprache erlernen. Dann können sie ihre Sicht der Dinge einbringen, und wir werden einen breiteren Dialog über Themen haben, die jeden betreffen.

 DIEWOCHE Wie trägt "Alba" zur Diskussion über Gentechnik bei?

 KAC Ich will die gesellschaftlichen Aspekte hervorheben, denn genau da spüren Sie und ich die Auswirkungen. Durch eine Veröffentlichung in "Nature" werden wir keine Auswirkungen spüren, sondern erst, wenn Entscheidungen, die wir über unser Privatleben treffen, in den Medien diskutiert werden. Durch die Schaffung eines transgenen Säugetiers können wir uns vorstellen, wie eine Gesellschaft mit anderen transgenen Arten, etwa dem Menschen, aussehen könnte. Es könnte sein, dass die Vorstellung von genmanipulierten Menschen unter gewissen Umständen nicht nur akzeptabel, sondern sogar wünschenswert ist.

 DIEWOCHE Die aktuelle Diskussion über die Ethik der Gentechnik ist sehr polarisiert. Wohin passt Ihre Arbeit?

 KAC Meiner Meinung nach geht es hier nicht um entweder/oder. Durch "Alba" wird die Welt nicht ernährt und Krebs nicht heilbar. Das Kaninchen repräsentiert nichts, was mit Forschung oder Kommerz assoziiert wird. Es macht auch nicht krank. Es ist ein normales Kaninchen, abgesehen von seiner einzigartigen Eigenschaft - aber wir alle haben unsere Eigenheiten.

 DIEWOCHE Manche sagen, Sie stünden durch die Schaffung von "Alba" mehr auf der Seite der Gentechnik-Befürworter. Haben diese Leute Recht?

 KAC Natürlich nicht. Als Ergebnis meiner Arbeit wurde ein liebes, wunderschönes Kaninchen in die Welt gesetzt. Es ist das Ergebnis umfangreicher Recherchen und intensiver Gespräche mit Genetik-Experten in ganz USA. Mit der Zeit erkannte ich, dass dieses spezielle Gen in der Molekularbiologie ein Standardwerkzeug ist, das routinemäßig als Marker eingesetzt wird. Die Franzosen, mit denen ich zusammengearbeitet habe, erschaffen seit 1985 transgene Kaninchen. In diesem Sinne ist das Konzept also nicht neu.

 DIEWOCHE Sie sagten, die Gentechnik könne viele Vorteile bringen, berge aber auch ein Missbrauchspotenzial. Wie gehen Sie damit in Ihrer Arbeit um?

 KAC "Alba" symbolisiert nichts, was Angst auslöst. Dennoch ruft "Alba" bei einigen Menschen Unbehagen hervor. Das ist wichtig, denn genau auf dieser Ebene funktioniert das Projekt. Einige Leute werden sich fragen: "Nun ja, es sieht sanft und gut aus. Warum fühle ich mich dann unbehaglich?" Andere werden sagen: "Ich habe mit dem Projekt zwar kein Problem. Das heißt aber nicht, dass ich alles, was mit Biotechnik zu tun hat, gutheiße."

 DIEWOCHE Kritiker behaupten, mit der Schöpfung von "Alba" würden Sie jedem das Recht zubilligen, Lebensformen zu manipulieren.

 KAC Warum greift so jemand die Arbeit eines einzelnen Künstlers heraus, der dieselben Methoden anwendet, die von Abertausenden Personen auf der ganzen Welt benutzt werden? Das lässt ein Vorurteil erkennen, wonach eine bestimmte Technologie einer einzigen Interessengruppe gehört. Computer wurden vom Militär für das Militär entwickelt, doch heutzutage findet man sie überall. Die Ansicht, eine Technologie sei die Exklusivdomäne eines einzigen Fachbereichs, ist nicht akzeptabel.

 DIEWOCHE Wie weit würden Sie mit Genmanipulationen gehen?

KAC Ich werde mit Sicherheit nie mit Menschen arbeiten. Das ist völlig inakzeptabel. Außerdem ist mein Engagement sozialer Natur. Wenn ein Künstler neue Lebensformen erschafft, muss er persönlich Verantwortung dafür übernehmen. Dass "Alba" zu meiner Familie gehört, ist ein sehr wichtiger Aspekt.

 DIEWOCHE Was kommt als Nächstes?

 KAC Ich würde gerne einen transgenen Hund auf die Welt, in meine Familie bringen. Aber konkrete Schritte können noch nicht einmal angedacht werden, solange IVF (In-vitro-Fertilisation, Anmerkung d. Red.) bei Hunden nicht möglich ist. Nächsten Sommer könnte es so weit sein. Bei anderen Tieren oder Pflanzen wären Kommentare verfrüht, weil ich mich damit noch auseinander setze. Wer weiß, was die Zukunft bringt? Transgene Kunst ist kein einmaliges Vorhaben. Sie ist eine neue Kunstform, die von mir und anderen wiederholt und sich im Laufe der Zeit weiterentwickeln wird.

Interview:
GRETEL H. SCHUELLER

 
Mehr unter www.ekac.org
 


 

© DIE WOCHE Zeitungsverlag 2001


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